
Chinas Meisterstück: Taiwan ohne Krieg erobert?
Die alte chinesische Kriegskunst lehrt uns, dass der größte Sieg jener ist, der ohne einen einzigen Schuss errungen wird. Was sich dieser Tage in Taiwan abspielt, könnte als Lehrbuchbeispiel für diese jahrtausendealte Weisheit in die Geschichte eingehen. Während der Westen noch über militärische Szenarien debattiert, hat Peking möglicherweise bereits Fakten geschaffen – und zwar auf eine Art und Weise, die selbst erfahrene Geostrategen verblüfft zurücklässt.
Der Spion, der aus der eigenen Partei kam
Stellen Sie sich vor, Sie wären Regierungschef und müssten erfahren, dass Ihre engsten Berater jahrelang jeden Ihrer Gedanken, jeden geheimen Plan und jede vertrauliche Information direkt an Ihren größten Widersacher weitergeleitet hätten. Ein Albtraum? Für Taiwans Präsident Lai Ching-te ist genau das bittere Realität geworden.
Am 10. Juni wurden vier hochrangige Mitglieder der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) wegen Spionage für die Volksrepublik China angeklagt. Das Pikante daran: Die DPP gilt als die dezidiert chinafeindliche Partei Taiwans, als Speerspitze der Unabhängigkeitsbewegung. Und ausgerechnet aus ihren innersten Zirkeln sollen jahrelang Informationen nach Peking geflossen sein.
Die Beschuldigten sind keine kleinen Fische: Wu Shang-yu fungierte als einer der wichtigsten Berater des amtierenden Präsidenten. Ho Jen-chieh beriet den ehemaligen Außenminister Joseph Wu, der heute als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates eine Schlüsselposition innehat. Chiu Shih-yuan leitete stellvertretend das Taiwan Institute of Democracy, die hauseigene Denkfabrik der DPP.
Ein Sicherheitsapparat in Trümmern
Die Implikationen dieser Enthüllungen sind verheerend. Jeder Verteidigungsplan, jede diplomatische Initiative, jede strategische Überlegung der letzten Jahre muss als kompromittiert gelten. Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen sollten – was angesichts der Beweislage unwahrscheinlich erscheint –, ist der psychologische Schaden bereits angerichtet.
Wie soll Taiwans Führung jemals wieder Vertrauen in die eigenen Reihen fassen? Wie können internationale Partner, allen voran die USA, noch sensible Informationen mit Taipeh teilen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass diese umgehend in Peking landen? Die Antwort ist so simpel wie niederschmetternd: gar nicht.
Die gebrochene Kette
Als wäre der Spionageskandal nicht genug, lieferte derselbe 10. Juni noch eine weitere strategische Hiobsbotschaft. Erstmals in der Geschichte operierten zwei chinesische Flugzeugträger – die Liaoning und die Shandong – gleichzeitig jenseits der sogenannten "Ersten Inselkette" im westlichen Pazifik. Diese unsichtbare Demarkationslinie, die sich von Japan über Taiwan bis zu den Philippinen erstreckt, galt jahrzehntelang als unüberwindbare Barriere für Chinas Marineambitionen.
Die Symbolkraft dieser Machtdemonstration kann kaum überschätzt werden. Die gesamte amerikanische Pazifikstrategie basierte auf der Annahme, Chinas Flotte in deren eigenem Hinterhof einzusperren. Diese Rechnung ist nun Makulatur. Mit dem dritten Träger Fujian in der Erprobungsphase wird China bald drei Trägergruppen gleichzeitig in Gewässern operieren lassen können, die Washington einst als seinen exklusiven Einflussbereich betrachtete.
Vom Aktivposten zur Belastung
Für Taiwan bedeutet diese Entwicklung eine dramatische Verschlechterung seiner strategischen Position. Aus amerikanischer Sicht wandelt sich die Insel vom defensiven Bollwerk gegen chinesische Expansion zu einer schwer zu verteidigenden Enklave innerhalb von Chinas expandierender Einflusssphäre. Wer möchte schon eine Belastung sein, wenn er einst als unverzichtbarer Partner galt?
George Yeo, Singapurs ehemaliger Außenminister, warnte bereits 2023 vor dieser Entwicklung. Seine Analyse war so präzise wie unbequem: Taiwan solle besser jetzt verhandeln, solange noch etwas Verhandlungsmasse vorhanden sei, statt zu warten, bis Pekings Überlegenheit so erdrückend werde, dass nur noch die bedingungslose Kapitulation bleibe.
Das Vertrauen schwindet
Besonders bitter für die taiwanesische Führung: Das eigene Volk verliert zusehends das Vertrauen in die amerikanischen Sicherheitsgarantien. Aktuelle Umfragen zeichnen ein düsteres Bild: Weniger als ein Drittel der Taiwaner hält Washington noch für verlässlich. Fast 60 Prozent sprechen den USA explizit ihr Misstrauen aus.
Diese Zahlen sind mehr als bloße Statistik. Sie spiegeln die wachsende Erkenntnis wider, dass Taiwan im Ernstfall womöglich allein dastehen würde. Eine Verteidigungsstrategie, die vollständig auf ausländischer Intervention basiert, wird zur gefährlichen Illusion, wenn die eigene Bevölkerung nicht mehr an diese Intervention glaubt.
Die tickende Zeitbombe
Was also tun? Yeos Vorschlag einer Konföderation nach Schweizer Vorbild mag manchem als Kapitulation erscheinen. Doch angesichts der Realitäten könnte es Taiwans letzte Chance sein, seine Lebensweise zu bewahren. Ein "isländisches Commonwealth"-Arrangement, wie er es nennt, würde Taiwan weitgehende Autonomie sichern, während China seine symbolische Wiedervereinigung erhielte.
Die überwältigende Mehrheit der Taiwaner – über 80 Prozent – wünscht sich ohnehin weder Unabhängigkeit noch Wiedervereinigung, sondern schlicht die Beibehaltung des Status quo. Doch genau dieser Status quo wird zusehends unhaltbar. Die Zeit läuft gegen Taiwan, und mit jedem Tag schwindet seine Verhandlungsposition.
China hat möglicherweise tatsächlich den ultimativen Sieg errungen: Es hat Taiwans Strategie so vollständig durchdrungen und seine militärische Überlegenheit so eindrucksvoll demonstriert, dass eine Eroberung durch Waffengewalt überflüssig geworden sein könnte. Sun Tzu wäre stolz auf seine Erben. Für Taiwan und seine westlichen Verbündeten hingegen ist es Zeit für eine schmerzhafte Neubewertung der Realitäten. Die Alternative könnte weitaus schmerzhafter sein.
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